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Auf zwei zitronengelben Kufen

Seit 30 Jahren baut Otto Bachmann Rodeln. Im Spitzensport waren sie Kult. Mittlerweile rüstet er damit Freizeitsportler und Familien aus. Sein Markenzeichen: zitronengelbe Kufen.

Mit den Händen schiebe ich mich an, fahre zuerst geradeaus, nehme Fahrt auf, schwenke nach rechts und blinzle kurz. Die Sonne reflektiert im Schnee, der Wind bläst in mein Gesicht. Noch einige Kurven und ich lasse meine Rodel an der Talstation des Skigebietes Helm ausfahren. Otto Bachmann, Rodelbauer und einst einer der besten Naturbahnrodler der Welt, wartet bereits auf mich. Freundlich begrüßt er mich und schaut den zitronengelben Kufen nach. Er erkennt sie sofort, immerhin sind sie das Markenzeichen seiner selbstgebauten Rodeln. Gemeinsam fahren wir dorthin, wo alles begann und die fahrbaren Untersätze auf zwei Kufen noch heute hergestellt werden.
Einige wenige Kilometer vom Skigebiet Helm entfernt, wohnt Otto. Ein schmaler Weg führt zum Haus, das abgelegen am Berghang liegt. Im Eingangsbereich erzählen unzählige Pokale im Regal stillschweigend von seiner erfolgreichen Zeit als Rodler …

1,5 Stunden benötigt Otto Bachmann, um eine Rodel für Hobbyfahrer herzustellen. Bei Rennrodeln kann es schon mal mehrere Tage dauern.

Von 0 auf 100

Alles begann mit einem Rennen, das hinter seinem Haus vorbeiführte. Als Kind nahm Otto daran teil. Er hatte Talent und war schneller als alle anderen Kinder im Dorf. So wurde der Rodelverein von Innichen auf ihn aufmerksam. Er schaffte es zuerst in die Jugendnationalmannschaft, später in jene der Erwachsenen. Doch vom Rodeln allein konnte und wollte er nicht leben. Eine Lehre als Koch brach er nach kurzer Zeit wieder ab. Es folgte eine Stelle bei einer Speditionsfirma, die sich gut mit den Trainingseinheiten und den Rennen an den Wochenenden vereinbaren ließ. Seine Rennrodeln wurden meist aus Österreich angeliefert, aber schon bald träumte der zweifache Europameister davon, eine Rodel ganz nach seinen eigenen Vorstellungen zu bauen. Er war 25, als er seine Leidenschaft zum Beruf machte.

Otto revolutionierte die Rodel und war anderen Herstellern stets einen Schritt voraus. Er ging beim Material des Sitzes von den traditionellen Gurten weg, probierte Segeltücher und LKW-Planen aus, und er verwendete hochwertiges Holz. Was heute selbstverständlich klingt, war damals noch eine Neuheit. Ein benachbarter Bauer sprach ihn eines Tages an, ob er denn wohl genug Arbeit hätte. Zufrieden nickte Otto. Der Bauer blieb aber skeptisch: „Du machst die Rodeln viel zu stabil. Die halten ja ewig!“ Otto antworte nur mit einem Schmunzeln.

Bereits nach kurzer Zeit belieferte Otto knapp 90 Prozent der Spitzenrodler, so auch die Österreicher Gerhard Pilz und Irene Koch, mit seinen zitronengelben Rodeln. Mit 29 Jahren, nach der WM im Jahre 1986, trat er selbst als Profi-Rodler zurück, um sich voll und ganz auf seine Rodeln zu konzentrieren.

Das Holz für die Rodeln wird direkt vor Ort in der Werkstatt von Otto Bachmann in Innichen bearbeitet. 

Otto führt mich in die Werkstatt. Vier Angestellte beschäftigt er dort. Sofort fallen unzählige, aneinandergereihte Rodeln ins Auge. Holzspäne liegen auf dem Boden, verschiedene Holzstücke bilden einen Stapel … Wehmütig blickt Otto in die Gegenwart. Die Produktion von Weltcup-Rodeln hat Otto vor über zehn Jahren eingestellt. „Die Rodeln wurden immer anspruchsvoller gebaut, mit messerscharfen Kufen und für Eispisten geeignet. Die Rodel kann sportlich sein, ich möchte sie aber auch auf einer normalen Freizeitpiste verwenden können“, zweifelt Otto an der Entwicklung. Mittlerweile rüstet er hauptsächlich Freizeitsportler und Familien aus.

Mittlerweile rüstet Bachmann hauptsächlich Freizeitsportler und Familien aus.

Unser Gespräch endet vor Ottos Werkstatt. Ein letztes Mal setze ich mich auf die zitronengelbe Rodel – dieses Mal zusammen mit Otto. Kräftig schiebt er sie an. Wir nehmen Fahrt auf, werden immer schneller, bis wir den Weg hinterm Haus hinunterrasen. Kurz vor einer Kreuzung bremst er rüde ab und ich falle in den Schnee. Wir lachen laut. Es mögen zwar all die Jahre vergangen sein, aber Ottos Leidenschaft für diese Sportart immer noch spürbar.

In freundlicher Zusammenarbeit mit der Storytelling-Plattform „Was uns bewegt“ von IDM Südtirol. Redakteure, Fotografen und Filmemacher sammeln und erzählen hier reale Geschichten von Menschen, Produkten und Lebensmustern in Südtirol.